Kommt sie, kommt sie nicht: Die Bäderbahn?

Es ist wie bei der Echternacher Springprozession: Zwei Schritte vor, einen zurück: Bisweilen auch: Zwei vor, zwei zurück!

Wenn es nach den Vorstellungen unserer Politik ginge, würde die Bäderbahn passend zu ihrem 100-jährigen Jubiläum mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke zur FFBQ 2028 stillgelegt werden. Gebaut wurde sie 1928, um Gästen und Einwohnern eine bessere Verbindung zu den aufstrebenden Ostseebädern der inneren Lübecker Bucht zu bieten.

Die geplante Stilllegung betrifft besonders unsere beiden Bädergemeinden Timmendorfer Strand und Scharbeutz: Der Bahnhof von Timmendorfer Strand soll um ca. 7 Km nach Ratekau und der von Scharbeutz um ca. 2 Km an den Ortsrand verlegt werden. Beide Bahnhöfe sind dann nicht mehr fußläufig, sondern nur noch mit Bus oder PKW zu erreichen. Betroffen wären nicht nur ca. 700.000 Fahrgäste pro Jahr, vorwiegend Schü­ler, Azubis, Pendler, Feriengäste, Familien mit Kindern und ältere Menschen. Betroffen wäre vor allem die touristische Wirtschaft, weil Gäste zukünftig fortblieben und Mitarbeiter nur noch erschwert zur Arbeit kommen würden.

Über 7.000 Bürger*innen haben sich deshalb bei einer Petition im Sommer 2018 für den Erhalt der Bäderbahn ausgesprochen.

Stilllegung-Baederstrecke

Stilllegung-Baederstrecke

Als Ersatz für die Stilllegung hatte Minister Buchholz 2017 die „größte und wichtigste Lärmschutzmaßnahme der Ostseeküste“ für die geplante Neubaustrecke und einen autonom fahrenden Bus-Shuttle auf der Trasse der Bäderbahn angekündigt.
Und dabei blieb es bisher.

Mit Beschluss des Bundestags zur Neubaustrecke vom Juli 2020 wird der Lärmschutz fast ausschließlich auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkt. Damit ist auch der gemeinsame Schallschutz von Autobahn A1 und Neubaustrecke vom Tisch, von dem sich unsere Gemeinde viel erwartet hatte. Das wird sich besonders für die Haffkruger*- und Scharbeutzer*innen katastrophal auswirken, denn die Lärmbelästigung ist bereits jetzt schon sehr stark.

In der Erwartung, dass sich niemand bewerben würde, hatte die DB Netz AG den Trassenabschnitt Ratekau bis Haffkrug im Juni 2020 öffentlich ausgeschrieben. Sie wollte damit zugleich den Nachweis liefern, dass kein Interesse an dem weiteren Betrieb dieser Trasse bestehen würde. Zur allgemei­nen Überraschung hatten sich darauf zwei private Eisenbahnunternehmen mit der Absicht beworben, eine moderne Bahnverbin­dung zwischen Neustadt und Lübeck aufzu­bauen. Dazu sollten der Neu- bzw. Ausbau der Bahnhöfe sowie die Elektrifizierung der Strecke gehören.

Weil dieses Ergebnis nicht in die bisherige Planung passte, hob die DB Netz AG ihre erste Ausschreibung kurzerhand auf und kündigte eine geänderte Ausschreibung für Mitte Dezember 2020 an. Darauf warten nun alle sehr gespannt.

Die Frage, ob und in welchem Maß die Bäderbahn ausgebaut wird, betrifft sowohl die zukünftigen Fahrgäste als auch die weitere Entwicklung unserer Ortschaften, aber auch die Finanzen unserer Gemeinde. Zum Beispiel sind die Unterhaltungskosten der Infrastruktur wie Straßen und Parkplätze der neuen Bahnhöfe anteilig von unserer Gemeinde mitzutragen.  Die Kosten für die zubringenden  Busse zu den außenliegenden Bahnhöfen würden nach der bisherigen Regelung vom Kreis übernommen, werden aber letztlich von den Gemeinden per Kreisumlage getragen.

Für unsere Gemeinde geht es um grundsätzliche Fragen. Zum Beispiel:

  • Brauchen wir zukünftig je 2 Bahnhöfe in Scharbeutz und Haffkrug?
  • Wie soll zukünftig die Verbindung Lübeck-Hamburg aussehen?
  • Welchen Anforderungen muss ein zukünftiger Zubringerverkehr zu den Bahnhöfen genügen?
  • Welche Möglichkeiten bietet der Ausbau der Bestandsstrecke, um einen verbesserten  Schallschutz zu erreichen?

Unter dem Eindruck der weltweiten  Klimaveränderungen hatte die Bundesregierung im Herbst 2019 in ihrem Klimaschutzprogramm 2030 über 100 Mrd. € für den Ausbau und die Erweiterung des Bahnverkehrs bereit gestellt. Die EU hatte Ähnliches mit dem „Green Deal“ beschlossen. Bestehende Trassen sollten ertüchtigt und alte Bahntrassen reaktiviert werden: 1.000 Km nach den Vor­­stellungen der Bundesregierung, 3.000 Km fordern die Grünen. Damit sollen möglichst 50% des derzeitigen privaten PKW-Verkehrs auf die Schiene umgeleitet werden, damit so die angestrebte Verkehrswende erreicht wer­den kann. Wie verträgt sich das mit der immer noch öffentlich geforderten Stilllegung der Bäderbahn?
Private Eisenbahnunternehmen haben die Chance erkannt, die sich daraus für ein zukunftsfähiges, modernes Transportsystem ergeben und sich deshalb um die Trasse beworben. Und wie sieht es in unserer Gemeinde aus?

Im Juni 2018 hatte sie – zwar unter ganz anderen Bedingungen – die Stilllegung der Bäder­bahn mehrheitlich beschlossen. Inzwischen haben sich die damaligen Bedingungen grund­legend geändert.
Wäre es nicht höchste Zeit, den damaligen Beschluss rückgängig zu machen?
Wäre es nicht an der Zeit, sich aktiv in die Gestaltung der zukünftigen Verkehrsanbindung einzubringen? Wenn wir das  nicht tun, machen es andere für uns. Dann aber nicht nur zu unserem Vorteil.

Dr. Jörg Lohmann,
für die Bürgerinitiative Pro Bäderbahn